In diesem Kapitel präsentieren wir zuerst das erzielte Resultat, fassen
die durchgeführten Arbeiten zusammen und zählen einige
Erweiterungsmöglichkeiten auf. Danach beurteilen wir sowohl die
Aufgabenstellung als auch die CD-i-Geräte. Abschliessend werden die
grössten während dieser Arbeit aufgetauchten Schwierigkeiten genannt
und einige Empfehlungen für ähnlich gelagerte Aufgabenstellungen
abgegeben.
8.1 Resultat
Als Resultat dieser Diplomarbeit steht nun, gemäss den Vorgaben der
HyperStudio AG, eine schnelle und stabile CD-i-Version des CIMEDIA-Lehrprogramms
zur Verfügung. Ausserdem wurden zusätzlich mit der
RTF-Datei-Definitionssprache MetaCDL und der CDiC-Bibliothek auch zwei wichtige
Bestandteile eines CD-i-Autorensystems entwickelt. Und schliesslich kann
sich ein CD-i-Neuling im Grundlagenteil der vorliegenden Dokumentation in
die wichtigsten und interessantesten Teile der CD-i-Spezifikation einarbeiten.
8.1.1 Zusammenfassung der durchgeführten Arbeiten
Zur Erreichung dieser Resultate mussten am IAM verschiedene Arbeiten
durchgeführt werden, die im folgenden zusammengefasst werden:
Grundlagen erarbeiten
Zuerst wurden die Grundlagen des CD-i-Standards erarbeitet. Dazu musste die
zum Teil schwer verständliche und über 1700 Seiten umfassende
Dokumentation durchgearbeitet und überblickt werden.
Einarbeitung in die Balboa-Bibliothek
[280]
Zu Projektbeginn war unklar, ob die Balboa-Bibliothek von Philips eingesetzt
werden sollte. Zur Durchführung der Evaluation wurde die Einarbeitung
in dieses Entwicklungssystem (über 1000 Seiten Dokumentation) notwendig.
Da das System viele Fehler aufwies und relativ teuer war, wurde beschlossen
Balboa nicht zu verwenden.
Bildbearbeitung Das aus etwa 1600 Dateien bestehende Bildmaterial musste in verschiedene
CD-i-Formate konvertiert werden. Alle Bilder wurden für die Darstellung
auf PAL-Fernsehgeräten optimiert
[281]. Zusätzlich sind ca. 80 neue
Bilder [282] entworfen worden. Und schliesslich
mussten auch noch die 220 Zeichnungen der Benutzerschnittstelle vermessen
werden [283].
Tonbearbeitung
[284] In verschiedenen Arbeitsschritten wurden insgesamt 1,6 GByte Audiodaten
bearbeitet und konvertiert. Um die unterschiedlichen Lautstärken
auszugleichen, mussten einige der 1500 Tondateien normalisiert werden.
Schneiden und konvertieren von Quicktime-Filmen
[285]
Verschiedene Quicktime-Filme wurden, unter Berücksichtigung der
Synchronisation zwischen den Audio- und Videodaten, in viele tausend CD-i-Bilder
konvertiert. Zur Implementation des Fabrikrundgangs musste ein (160 MByte
grosser) Film in 100 Teilsequenzen zerlegt werden.
Reverse-Engineering des bestehenden CIMEDIA-Lehrprogramms
[286] Anstelle eines Drehbuches stellte die HyperStudio AG dem IAM eine mit
dem Autorensystem 'MacroMind Director' produzierte PC-Version des
CIMEDIA-Lehrprogramms zur Verfügung. Anhand dieser 'MacroMind'-Dateien
wurde der gewünschte Programmablauf definiert. Insbesondere die
Wiedergabereihenfolge der Bild- und Tondateien aller Interviews musste am
IAM vollständig rekonstruiert werden [287].
Entwurf und Implementation einer RTF-Datei-Definitionssprache
[288]
Im Rahmen dieser Arbeit wurde die einfache aber trotzdem sehr
leistungsfähige RTF-Datei-Definitionssprache MetaCDL entworfen.
Optimierung der CD-Zugriffszeiten
[289]
Durch die geschickte Anordnung der RTF-Dateien auf der CD-i-Scheibe wurde
die Zugriffszeit des CD-Lesers minimiert.
Entwurf und Implementation einer Bibliothek zur CD-i-Programmierung in
C [290]
Die am IAM entwickelte CDiC-Bibliothek stellt einem Programmierer eine einfache
C-Schnittstelle zum CD-i-System zur Verfügung. Sie vereinfacht die
Implementierung von CD-i-Applikationen, indem sie verschiedene CD-i-spezifische
Klassen und solche zur GUI-Programmierung anbietet.
CD-i-Implementierung des CIMEDIA-Lehrprogramms
[291]
Die Leistungsfähigkeit der MetaCDL-Sprache und der CDiC-Bibliothek zeigte
sich bei der Programmierung der CD-i-Version des CIMEDIA-Lehrprogramms, die
(verglichen mit den anderen Arbeitsschritten) mit relativ wenig Aufwand
durchgeführt werden konnte.
8.1.2 Erweiterungsmöglichkeiten
Nach Abschluss dieser Arbeit stehen noch viele Erweiterungsmöglichkeiten
offen, die allerdings kaum am IAM durchgeführt werden können, da
die Cassiopée-Karte Eigentum der HyperStudio AG ist. Folgende Themen
würden sich anbieten:
Font-Erweiterung
In der CDiC-Bibliothek ist bis jetzt keine direkte Schriftdarstellung
möglich, da dies den Kauf verschiedener Fontmodule im CD-i-Format
bedingt hätte [292]. CD-RTOS bietet aber
einige Schriftfunktionen an, die noch in die CDiC-Bibliothek eingebaut werden
könnten. Die Darstellung sollte in einem CdiSubScreen-Objekt erfolgen.
Erweiterung zur Wiedergabe von MPEG-1-Filmen
In der CDiC-Bibliothek fehlen Funktionen zur Darstellung von MPEG-1-Filmen,
da diese von der Cassiopée-Karte nicht unterstützt werden.
Autorendatenbank
Zwar wurden schon jetzt verschiedene kleine Datenbanken zur Erstellung der
MetaCDL-Skripte und verschiedener Steuerdaten eingesetzt. Diese können
zu einer Autorendatenbank erweitert werden, in der wesentliche Teile einer
CD-i-Applikation erstellt werden. Beispielsweise könnte der Code zur
Initialisierung der CdiUiObject-Listen automatisch aus der Datenbank erzeugt
werden.
Bildeffekte
Mit Hilfe der Klassen CdiTimer, CdiLct und CdiFct könnten weiter Bildeffekte
implementiert werden. Ein Zeitgeber aus der Klasse CdiTimer steuert dabei
das Schreiben der benötigten DCP-Befehle in die FCT- und LCT-Tabellen.
GUI-Elemente
In der CDiC-Bibliothek wurden Befehls-, Umschalt-, und
Animationsschaltflächen implementiert. Es können noch weitere derartige
Steuerelemente wie beispielsweise Schieberegler entwickelt werden.
8.2 Beurteilung
8.2.1 Aufgabe
Die Aufgabenstellung wurde direkt zwischen dem Bearbeiter am IAM und der
HyperStudio AG definiert. Diese im Rahmen einer Diplomarbeit zu lösende
Aufgabe erwies sich eindeutig als zu umfangreich. Zur Einarbeitung in das
CD-i-Gebiet und der korrekten Bereitstellung des Datenmaterials wurde die
Zeit benötigt, die sonst zur Bearbeitung einer Diplomarbeit zur
Verfügung steht. Bei der Implementation musste Pionierarbeit geleistet
werden, da weder Beispiele noch fachkundige Hilfe zur Verfügung standen.
Zudem wurde erheblicher Aufwand zur Umgehung der vielen Fehler in der
Entwicklungsumgebung betrieben. Da zwischen dem Bearbeiter und der HyperStudio
AG ein Werkvertrag bestand, konnte die Aufgabe nicht abgebrochen werden.
8.2.2 CD-i-Geräte
Die Leistungsfähigkeit der CD-i-Spieler ist beeindruckend. Für
weniger als 800 Fr. steht ein Gerät zur Verfügung, mit dem
Multimedia-Applikationen bezüglich Bild- und Tonqualität schneller
und besser abgespielt werden können, als dies mit einem mehreren tausend
Franken teuren PC oder Macintosh möglich ist. Falls die
Entwicklungswerkzeuge von Philips verwendet werden, dann ist die Produktion
einer CD-i-Applikation relativ teuer. Muss aus Kostengründen auf deren
Einsatz verzichtet werden, wie dies für die vorliegende Arbeit leider
der Fall war, dann wird sehr viel Zeit benötigt, da keinerlei Erkenntnisse
oder Beispiele von dritter Seite zur Verfügung gestellt werden. Die
wenigsten Firmen sind offenbar gewillt, genügend Zeit und Geld in die
CD-i-Applikationsentwicklung zu investieren. Bis heute hat sich daher der
CD-i-Standard nicht auf dem Markt durchsetzen können.
8.2.3 Probleme
Bei der Entwicklung von CD-i-Applikationen müssen viele Schwierigkeiten
überwunden werden. Einige der Probleme, die bei der Implementation der
CD-i-Version von CIMEDIA entstanden, seien hier erwähnt.
CD-i-Standard
Das Green Book beschreibt sowohl für Hardware- als auch für
Softwarehersteller das CD-i-System. Dieses zwei Bundesordner füllende
Werk ist schwierig zu lesen und ohne Kenntnis der 68000-Prozessoren teilweise
[293] nicht zu verstehen. Im Grundlagenteil dieser
Arbeit werden daher die für Softwareentwickler wichtigen Teile des
CD-i-Standards zusammengefasst. Es sei an dieser Stelle ausdrücklich
darauf hingewiesen, dass diese Arbeit das Green Book nicht ersetzten
kann. Jeder Entwickler benötigt unbedingt diese 5000$ teure und vertraulich
klassifizierte Spezifikation.
Keine Beispielprogramme verfügbar
Da zu Beginn des Projektes keine Beispielprogramme zur CD-i-Programmierung
in Assembler, C oder C++ vorhanden waren, gestaltete sich der Einstieg in
die spezielle Grafik- und Audioprogrammierung äusserst schwierig. Heute
wird mit Hilfe der CDiC-Bibliothek die Implementierung einer CD-i-Applikation
vereinfacht.
Entwicklungsplattform
Die Wahl des Macintosh 'IIfx' als Entwicklungscomputer war ein grosser Fehler.
Seine sehr begrenzte Leistungsfähigkeit führte bei fast allen
Arbeitsschritten zu erheblichen Wartezeiten. Für den Neuaufbau der
CD-i-Image-Datei wurden jeweils zwei Stunden benötigt
[294], wobei während dieser Zeit der Computer
nicht anderweitig eingesetzt werden konnte. Das Öffnen einer einzigen
'MacroMind Director'-Datei dauerte mehrere Minuten, wodurch das im Abschnitt
8.1.1 erwähnte Reverse-Engineering extrem erschwert wurde. Aber nicht
nur die Geschwindigkeit des Macintosh sondern auch sein Betriebssystem (Finder
7.0.1) führte zu Verzögerungen. Mehrere Abstürze pro Tag waren
normal und behinderten die Arbeit. Einige dieser Abstürze führten
sogar zu Datenverlusten und ein fehlerhafter CD-Treiber löschte gar
die Partitionsdaten der Harddisk. Da am IAM kein Datensicherungssystem zur
Verfügung stand, mussten viele Dateien wieder neu erstellt werden
[295].
Datensicherung
Es sollten die Programme (möglichst in mehreren Versionen), die
konvertierten Bild- und Tondaten in verschiedenen Qualitäten aber auch
die ursprünglichen Video- und Audiodaten gesichert werden. Hier wurde
im CIMEDIA-Projekt auch der Fehler begangen, dass nicht mehr alle Originaldaten
[296] zur Konvertierung in die CD-i-Formate vorlagen.
Am IAM mussten daher zum Teil die schon für die PC-Version konvertierten
Asset-Dateien herangezogen werden, was natürlich zu erheblichen
Qualitätsverlusten führte. Leider konnten so nicht die vollen
Möglichkeiten des CD-i-Standards ausgenutzt werden. Es ist absolut
notwendig, dass die Sicherung der Daten (im Umfang von mehreren GByte)
sorgfältig geplant wird.
Klare Definition der Datenformate Das oben erwähnte Problem mit den Originaldaten entstand auch, weil
die Datenschnittstelle zwischen der HyperStudio AG und dem IAM nicht klar
definiert wurde. Schon in der Drehbuchphase hätten klare Schnittstellen
spezifiziert werden müssen, wer welche Daten in welchen Formaten und
Qualitätsstufen benötigt.
Cassiopée-Karte
Die immerhin 30'000 Fr. teure Cassiopée-Karte arbeitet nicht einwandfrei,
was dazu führte, dass sehr lange nach Fehlern in der CDiC-Bibliothek
gesucht wurde, obwohl das Fehlverhalten durch diese Karte ausgelöst
wurde. Erst das Brennen einer CD-i mit anschliessendem Ausprobieren brachte
die Bestätigung. Es kam aber auch vor, dass Programmteile, die ohne
Probleme auf der Cassiopée-Karte liefen, auf den CD-i-Geräten
abstürzten. Derartige Fehler sind extrem schwierig zu finden. Der Vorteil
dieser Karte liegt aber darin, dass sie verglichen mit anderen
Entwicklungssystemen immer noch sehr kostengünstig ist.
8.3 Empfehlungen
Zum Abschluss werden nun noch einige Empfehlungen präsentiert, die sich
aus den Erfahrungen dieser Arbeit ergeben.
Aufwand gut abschätzen.
Vor der Wahl einer Diplomarbeit muss der Aufwand gut abgeschätzt werden.
Wäre dies besser durchgeführt worden, dann wäre die Aufgabe
nicht übernommen worden.
Nie das Rad neu erfinden.
Sicher war es falsch, die Balboa-Bibliothek von Philips nicht zu verwenden.
Ihr Einsatz hätte (trotz der angeblichen Fehler) sehr viel Zeit eingespart.
Ohne die Entwicklungszeit der CDiC-Bibliothek, die eigentlich Balboa ersetzt,
wäre die Bearbeitungszeit des Projektes am IAM noch annehmbar gewesen.
Wahl der Hardwareplattform gut überlegen.
Ein weiterer schwerwiegender Fehler war die Wahl des Macintosh mit MPW und
der Cassiopée-Karte. Trotz der viel höheren Kosten hätte
das Entwicklungssystem von Philips (mit einer SUN-Arbeitsstation) verwendet
werden sollen.
Konzept für die Datensicherung festlegen.
Zu Beginn des Projektes war eigentlich absehbar, dass riesige Datenmengen
anfallen würden. Hier wäre unbedingt ein Konzept nötig gewesen,
wie diese Daten gesichert werden können.
Datenformate und Qualitätsanforderungen festlegen.
Die Bild- und Tondaten der CD-i-Applikation würden in besserer
Qualität vorliegen, wenn der Autor dieser Arbeit genaue Anforderungen
an das Datenmaterial gestellt hätte. Als der Fehler bemerkt wurde, waren
die Originaldaten nicht mehr verfügbar (Datensicherung).
Weitere Entwicklungen im CD-i-Bereich?
Als die vorliegende Arbeit 1993 begonnen wurde, konnte noch nicht vorausgesagt
werden, ob sich diese CD-i-Geräte im Markt durchsetzen würden.
Zum heutigen Zeitpunkt liegt die Vermutung nahe, dass der grosse Durchbruch
nicht mehr erfolgen wird. Zwar sind die eigentlichen CD-i-Spieler sehr
kostengünstig erhältlich, da es aber an guter Software mangelt,
werden sie kaum verkauft. Es ist mehr als fraglich, ob Entwicklungen weiterer
CD-i-Applikationen rentabel durchgeführt werden können, zumal heute
für die PC- und MAC-Computer viele hochwertige und kostengünstige
Hilfsmittel zur Produktion von Multimediaprogrammen erhältlich sind.
[282] Alle 60 Bilder der Flugansicht wurden am
IAM aus vielen kleinen Teilstücken erstellt (vergleiche hierzu Abschnitt
7.5). Auf dieselbe Art mussten einige Benutzerschnittstellen neu zusammengestellt
werden.
[283] Vergleiche hierzu die Abschnitte 5.3 und
7.2.1.
[287] Das Öffnen einer 'MacroMind'-Datei
kann mehrere Minuten dauern. Daher nahm die Rekonstruktion der ca. 2500
Dateinamen aller Interviewdaten sehr viel Zeit in Anspruch.